Warum soll man diese Sportarten praktizieren und das in der Chinasportschule?

Interview mit Z. (85, Tai Chi und Qi Gong), Handwerkerin und noch fast mehr bin ich Arztfrau. Seit 18 Jahren übt sie Tai Chi / Qi Gong 1x pro Woche.

F: Wie sind Sie dazu gekommen, Tai Chi zu machen?
A: Einfach aus Lust und dem Gefühl heraus, es sei etwas, was mir gefällt.

F: Üben Sie auch zuhause?
A: Ich möchte, aber ich komme nicht dazu. Keine Chance. Wenn ich ganz allein bin, gelingt es mir hie und da.

F: Hat das Kung Fu-Training auch einen Einfluss auf Ihr Alltags- und Berufsleben?
A: Doch sehr. In erster Linie ist es eine grosse Entspannung, in zweiter Linie eine sehr gute Konzentrationsübung. Beim Weben bin ich ja innerlich eigentlich sehr bei mir selber und da fliesst das mit hinein. Das sich Konzentrieren auf gewisse Abläufe, auch in der Bewegung oder im Innenleben.

F: Was ist die Motivation, regelmässig ins Training zu gehen?
A: Wie gesagt, weil ich’s liebe und weil ich weiss und auch erfahren habe, dass es mir damit gut geht.

F: Was erwünschen Sie sich oder was erwarten Sie in diesen Stunden und überhaupt
vom Training?
A: Dass ich mich selber finde.

F: Was hat Ihnen das Tai Chi-Training bis heute gebracht?
A: Ich bin überzeugt, dass es mir mehr und bessere Gesundheit gebracht hat. Denn ich war von klein auf nicht sehr gesund, habe immer Asthma gehabt und durfte in der Schule nie mitturnen, weil ich nicht rennen konnte und solche Sachen. Es ging mir immer gleich die Luft aus und so habe ich nie erwartet, dass ich so alt werde. Und jetzt bin ich mit dem Tai Chi, aber auch noch mit meinem Mann, der Arzt ist und der sehr auf der alternativen Seite steht, also mit Homöopathie und Akupunktur und chinesischer Philosophie. Und diese beiden, das passt sehr gut zusammen und damit bin ich jetzt doch schon so alt geworden.

F: Denken Sie, dass jeder Selbstverantwortung für seine Gesundheit und sein Wohlbe-
finden übernehmen sollte?
A: Oh ja, das denk’ ich schon. Gut, man kann nicht alles selber machen, das ist unmöglich. Man hat schon ein Schicksal oder einen höheren Lebensplan, in den man sich einfügt. Aber vieles, vieles kann man selber machen. Die Einstellung kann man selber dazu geben. Und das ist ja eigentlich die Hauptsache.

F: Was fasziniert Sie am Training?
A: Einerseits der Lehrer, der ist wunderbar. Und die Sache selber, die Bewegungen, die Harmonie. Und das sich Konzentrieren auf die eigenen Energien, die kennenlernen, das ist schon viel.

F: Wie wichtig ist Ihnen die Person, die den Unterricht gestaltet?
A: Ist mir das Wichtigste. Mit das Wichtigste. Nicht allein das Wichtigste.

F: Ist es für Sie wichtig, dass die Person aus dem Kulturgebiet des Wu Shu kommt?
A: Ja, sicher macht das sehr viel aus. Da kommt die ganze Philosophie sehr viel mehr zum Tragen.
Ich habe vorher, bevor ich bei Jing angefangen habe, kurz einen Migroskurs belegt, und dort war der Lehrer ein Texaner. Überhaupt nicht diskutabel der Unterschied.
Das war nur achtmal, aber drei oder vier von den achtmal konnte ich nicht gehen, weil wir Lawinen hatten und wir nicht aus dem Tal rausgekommen sind. Ja, es hat mir schon ein bisschen Eindruck gegeben von den Bewegungen und der Sache selber, aber von der Leitung her, war das nicht zu vergleichen.

F: Inzwischen gibt es ja nun schon sehr viele Personen und Schulen, die Wu Shu 
anbieten. Was denken Sie darüber?
A: Das ist mir egal, ich bleibe. Ich bleibe da, wo ich bin und es mir gefällt.

F: Was fasziniert Ihrer Meinung nach uns westliche Menschen an den östlichen Kul-
turen oder allgemein an fremden Kulturen?
A: Wir haben einen Mangel im Westen. Wir haben den Kopf und die Technik und all das zu sehr ausgebildet und haben die Seele vergessen oder weitgehend unterdrückt.
Und im Osten ist das sehr viel mehr geschult, gepflegt, gesucht, gefunden worden als bei uns.
Gut, ich meine der Osten, glaube ich, profitiert auch vom Westen. Aber in erster Linie finde ich, dass wir vom Osten profitieren, wenn wir’s recht anschauen. Wir müssen’s nicht nachmachen, wir haben ja unseren Charakter und der verpflichtet uns ja auch, unser Eigenes zu suchen. Aber uns öffnen für all das, was der Osten uns bringen kann. Und der bringt uns sehr viel!

F: Spielt der Selbstverteidigungsaspekt für Sie auch eine Rolle, dass Sie Tai Chi üben?
A: Nicht so stark, weil 1. bin ich alt und würde wahrscheinlich sowieso unterliegen, wenn mich jemand angreift. Und dann nehme ich’s als Schicksal oder mir helfen gute Geister oder es kommt mir gerade im richtigen Moment irgendeine Bewegung aus dem Tai Chi in den Sinn, die ich kann, mit dem Fuss oder irgendwie aus mir heraus mache ich die richtige Bewegung. Das überlasse ich dem Schicksal.
Sehr wichtig ist die Selbstverteidigung für mich persönlich eigentlich nicht. Mehr die Harmonie und das, was ich selber, was in meiner eigenen Art liegt, dass ich das wiederfinde in den Bewegungen. Ich finde, dies ist ein grosser Teil zur Selbstfindung. Wir fragen doch das ganze Leben, wer bin ich, woher komm ich und wohin geh ich. Und das sind schon Fragen, die durch das Tai Chi gefördert und auch beantwortet werden. Nicht vollkommen beantwortet, aber in der Frage selber ist ja schon eine Antwort, finde ich. Jeder, der gut fragt, hat schon irgendwo die Antwort in sich, glaube ich.

Heute Nacht war mir so schwindlig, dass ich mich an den Wänden halten musste. Heute Morgen auch noch. Kaum komme ich in den Saal – wunderbar, alles weg. Das ist es, da musst du dich nicht wundern, dass ich gerne komme. Das ist einfach eine grosse Lebenshilfe und ein wunderbares Wiedersehen.

 

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Interview mit A. (Bibliothekar, 46, Kung Fu)

Interview mit M. (Sanitärmonteur, 24, Kung Fu)