Warum soll man diese Sportarten praktizieren und das in der Chinasportschule?

Interview mit A., 46 Jahre alt, Bibliothekar an einer Universität, praktiziert seit 4 Jahren zweimal pro Woche Kung Fu.

F: Wie sind Sie dazu gekommen, Kung Fu zu machen?
A: Ich wollte schon lange eine Kampfsportart ausüben und durch eine Freundin habe ich
diese Schule kennengelernt. Ich habe einmal reingeschaut und gefunden: Ja, vielleicht ist das auch etwas für ältere Semester.

F: Üben Sie auch zuhause?
A: Die Absicht wäre da, aber der Wille ist zu schwach.

F: Hat das Kung Fu-Training auch einen Einfluss auf Ihr Alltags- und Berufsleben?
A: Im Grossen und Ganzen ja. Es gibt mir einen guten Ausgleich. Ich habe einen sit-
zenden Beruf, da leistet dieses Training für meine Gesundheit sicher einen wertvollen Beitrag.

F: Was ist die Motivation, regelmässig ins Training zu gehen?
A: Das Resultat, also das Wohlgefühl, das einen belohnt nach einem Training. Es ist
zwar anstrengend, aber man fühlt sich doch besser, ausgeglichener. Ein anderes Körpergefühl und vielleicht auch ein bisschen das Gefühl, hier zu einer Familie zu gehören.

F: Was erwünschen Sie sich oder was erwarten Sie in diesen Stunden und überhaupt
vom Training?
A: Ein besseres Körpergefühl, eine andere Art der Selbsterfahrung. Stärke, Gesundheit und vielleicht auch eine Prise Selbstbewusstsein.

F: Spielt der Selbstverteidigungsaspekt für Sie auch eine Rolle, dass Sie Kung Fu üben?
A: Die Potenzialität einer Verteidigung nicht. Oder doch. Die Potenzialität ja, aber nicht
das Gefühl, ich sei nun wirklich unbesiegbar. Da bin ich zu realistisch. Mir ist es sehr bewusst, dass ich in gewissen Situationen genauso wenig eine Chance habe, wie vor einiger Zeit. Aber die Einstellung, die hat sich schon ein bisschen verändert. Also kämpfend unterzugehen, oder unterzugehen, einfach indem man sich ergibt, das ist nicht dasselbe. Wenigstens mit dem kleinen Finger würde ich mich wehren, wenn es dazu käme.

F: Was hat Ihnen das Kung Fu-Training bis heute gebracht?
A: Glück und ewiges Leben. Nein. Also sicher, wie schon erwähnt, ein anderes Körper-
gefühl. Lust, mehr Sport zu treiben. Ich habe vor diesem Training gar keinen Sport
gemacht, jedenfalls seit 20 Jahren keine Sportart seriös betrieben, ausser Schlafen und Essen. Und seitdem ich hier bin, mache ich nebenbei auch noch ein bisschen anderen Sport. Zwar nicht so regelmässig, aber immerhin. Ich muss schon sagen, im Kung Fu hat es bei mir irgendwie „Klick“ gemacht und das ist doch sehr schön.

F: Hat es Ihnen gesundheitlich etwas gebracht?
A: Ich bin sicher weniger krank. Ich fühle mich zwar oft alt, aber krank relativ selten.
Das Übliche, im Winter ein paar Tage mit Grippe und so, habe ich nur noch sehr selten. Ich habe zum Beispiel auch weniger Rückenschmerzen, das ist deutlich spürbar.

F: Denken Sie, dass jeder Selbstverantwortung für seine Gesundheit und sein Wohlbe-
finden übernehmen sollte?
A: Auf jeden Fall. Das ist eine Verantwortung, die man dem eigenen Körper gegenüber
übernehmen muss. Und man sollte auch ein gewisses soziales Bewusstsein haben. Ein sehr ungesundes Leben verursacht Kosten, die sehr oft alle tragen müssen. Deswegen glaube ich, dass jeder Selbstverantwortung übernehmen sollte für die eigene Gesundheit.

F: Was fasziniert Sie am Training?
A: Die Tatsache, dass ich mich meistens am Ende eines Trainings besser fühle, ruhiger,
ausgeglichener. Vor allem körperlich und nicht mehr geistig müde. Geistig fühle ich mich aktiviert und körperlich wohlig müde.

F: Wie wichtig ist Ihnen die Person, die den Unterricht gestaltet?
A: Die Person ist ausschlaggebend. Wie schon gesagt, ich habe 20 Jahre nie etwas mit
einer gewissen Regelmässigkeit gemacht. Und die Person ist in diesem Fall absolut ausschlaggebend. Die Fähigkeit, verschiedenen Ansprüchen gerecht zu werden, die spürt man hier. Es besucht ein sehr unterschiedliches Publikum die Kurse. Es gibt sehr junge, dynamische, spritzige und kräftige Leute, und es kommen ältere, die eher auf die Gesundheit schauen müssen oder wollen und es hat für jeden Platz. Das ist, glaube ich, „ä chli“ eine Gabe des Trainers. Ein Wohlbefinden herrscht, das man sehr stark fühlt. Und auch die Aufmerksamkeit für den Einzelnen ist da, es ist mehr als nur zu kommen und auf einen Sandsack einzuschlagen. Sondern es geht darum, den Körper ganzheitlich zu verstehen, was sicher sehr wertvoll ist. Ich glaube, das ist schon sehr mit der Person verbunden.

F: Ist es für Sie wichtig, dass die Person aus dem Kulturgebiet des Wu Shu kommt?
A: Da bin ich sehr oberflächlich. Ich muss sagen, bei mir erhöht es sicher die Glaub-
würdigkeit der Person. Wenn das etwas Gelebtes ist und nicht etwas Antrainiertes, das macht meiner Meinung nach schon einen grossen Unterschied. Es ist nicht nur diese Kraft, Wendigkeit, sportliche Hochleistung, die zählt, sondern das Ganzheitliche. Und das ist, glaube ich, relativ schwierig für jemanden, der nicht aus diesem Kulturkreis kommt, oder sich sehr, sehr intensiv damit auseinander gesetzt hat, dies auch wiederzugeben.

F: Inzwischen gibt es ja nun schon sehr viele Personen und Schulen, die Wu Shu 
anbieten. Was denken Sie darüber?
A: Es ist wie bei sehr vielen anderen Berufen. Die Bezeichnung ist ja nicht geschützt.
Ich glaube, es kann sich mehr oder weniger jeder als Lehrer definieren. Es ist wie bei allem, es gibt Inflation, es gibt Leute, die vielleicht auf gewisse oberflächliche Kriterien eher Achtung geben. Und da glaube ich, ist es sicher schwieriger für die Qualität, sich durchzusetzen. Aber es ist bei allem so, oder? Zum Beispiel: Brot im Kaufhaus einkaufen, Massenware, die nach zwei Tagen schon nach Karton schmeckt, oder ein Brot, das offensichtlich mit viel Aufwand und sagen wir mal, viel „Liebe“ hergestellt wurde und mit guten Zutaten, das nach einer Woche noch gut schmeckt, das ist einfach nicht dasselbe.

F: Was fasziniert Ihrer Meinung nach uns westliche Menschen an den östlichen Kul-
turen oder allgemein an fremden Kulturen?
A: Ich kann nicht für die ganze westliche Kultur eine Antwort geben, höchstens für mich.
Ich glaube... eine Randbemerkung: Es ist vielleicht so. Da wir auch einen gewissen Hang zur Spiritualität verspüren, im weiten Sinne, und in der westlichen Kultur diese Spiritualität sehr viel an Bedeutung verloren hat, verspüren wir sehr oft das Mitreissen oder die Faszination einer gelebten und im Alltag präsenten Spiritualität, die man natürlich in diesen fernen Kulturen noch erleben oder sehen kann.

Ich persönlich finde das Fremde interessant und ich finde, es ist eine Pflicht neugierig zu sein und zu versuchen, das Fremde ein bisschen kennen zu lernen. Ich glaube, dass sehr viel Unverständnis und auch sehr viel Hass aus mangelndem Verständnis oder fehlendem Wissen wer der andere ist, woher er kommt, wie er denkt oder über was er spricht, entsteht.

 

Weitere Interviews:

Interview mit M. (Sanitärmonteur, 24, Kung Fu)

Interview mit Z. (85, Tai Chi und Qi Gong)